BAG: Gerichte sollten ERV-Formfehlern innerhalb von 8 Tagen erkennen

Die Gewährung von Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bei Fehlern in der Rechtsanwendung des § 130a ZPO und der ERVV bei Fehlern in der Übermittlung kann mittlerweile als ständige Rechtsprechung von BSG, BAG und BGH bezeichnet werden. Die zur Containersignatur entwickelten Grundsätze gehen insbesondere davon aus, dass das regelmäßige Verschulden eines Rechtsanwalts bei der Falschanwendung von Rechtsnormen (hier des § 130a ZPO) durch Verstöße gegen die gerichtliche Fürsorgepflicht zurücktritt. Das BAG hat in einer neuen Entscheidung (BAG, Beschluss vom 5. Juni 2020 – 10 AZN 53/20) die Maßstäbe hierfür nun konkretisiert.

Aufgrund der gerichtlichen Fürsorge kann ein gerichtlicher Hinweis geboten sein, wenn ein Rechtsbehelf nicht in der vorgesehenen Form übermittelt wird. Eine Partei kann erwarten, dass der Formfehler in angemessener Zeit bemerkt wird und innerhalb eines ordnungsgemäßen Geschäftsgangs die notwendigen Maßnahmen getroffen werden werden, um eine drohende Fristversäumnis zu vermeiden. Unterbleibt der Hinweis, ist der Partei Wiedereinsetzung zu bewilligen, wenn der Hinweis bei ordnungsgemäßem Geschäftsgang so rechtzeitig hätte erfolgen, dass es der Partei noch möglich gewesen wäre, die Frist zu wahren.

Der Begriff des „ordnungsgemäßen Geschäftsgangs“ findet sich seit den ersten Entscheidungen zur Containersignatur in zahlreichen Beschlüssen, ohne dass dieser Zeitraum bislang näher definiert wäre. Das Hessische Landesarbeitsgericht betonte zumindest bereits, dass ordnungsgemäß jedenfalls nicht „sofort“ bedeutet.

In seinem Beschluss vom 5. Juni 2020 kommt das BAG nun erstmals einer weiteren Definition näher: Jedenfalls innerhalb von acht Arbeitstagen kann ein Rechtsanwalt einen Hinweis erwarten. Innerhalb dieser Zeit sei – so das BAG – dem Gericht möglich, zumindest das vollständige Fehlen eines Vertrauenswürdigen Herkunftsnachweises (VHN) als Nachweis des sicheren Übermittlungswegs gem. § 130a Abs. 4 ZPO zu erkennen, denn diese Feststellung sei einfach und mit wenig Prüfungsaufwand verbunden.

Ein Ausschöpfen der Frist bleibt für (unsichere) Einreicher im elektronischen Rechtsverkehr als brandgefährlich. Es bleibt abzuwarten, ob die Rechtsprechung auch noch kürzere Zeiträume ausreichen lassen wird – sich darauf zu verlassen ist mit den entsprechenden Risiken verbunden.

Autor: Prof. Dr. Henning Müller

Direktor des Sozialgerichts