ArbG Kiel: ERVV und ERVB sind Zulässigkeitsvoraussetzung

In der Arbeitsgerichtsbarkeit fallen derzeit besonders häufig Rechtsfragen des elektronischen Rechtsverkehrs an. Ein praktisch besonders bedeutsames Problem stellen hier nicht eingebettete Schriftarten dar – vor allem, weil auch die jeweiligen gegnerischen Prozessbevollmächtigten hierin eine Rügemöglichkeit entdeckt haben. Hierzu hatte sich u.a. bereits das LAG Frankfurt zu äußern. Die neuere Rechtsprechung tendierte in eine andere Richtung: Vorgaben gerade der ERVB wurden aus verfassungsrechtlichen Erwägungen gut nachvollziehbar nur als Ordnungsvorschriften angesehen (LG Mannheim, OLG Koblenz). Anderer Ansicht ist dagegen das ArbG Kiel (v. 11.3.2021 – 6 Ca 1912 c/20 – kostenpflichtig über Juris).

Das ArbG Kiel hält § 130a Abs. 2 Satz 1 ZPO nicht lediglich für eine Ordnungsvorschrift. Hiergegen spreche das Gebot der Rechtsklarheit. Soweit mit dem Justizgewährungsanspruch argumentiert wird, begründet dieser nicht den Ausschluss formeller Anforderungen an die Qualität eines Schriftsatzes. Ein Verstoß führe zur Unwirksamkeit des Eingangs.

Es spreche aber aus Gründen des Übermaßverbots viel dafür, den nicht durchsuchbaren Briefkopf in Gänze als Grafik ohne zu lesenden bzw. zu durchsuchenden Inhalt zu behandeln. § 2 ERVV unterscheide in Bezug auf die Durchsuchbarkeit zwar nicht zwischen wichtigen und weniger wichtigen Teilen des Schriftsatzes. Aus dem Gesichtspunkt der Rechtsklarheit wäre es deshalb auch vorzuziehen, wenn der gesamte Schriftsatz einschließlich des Briefkopfes durchsuchbar sein müsste. Die Zulässigkeit der Schriftsatzeinreichung würde dann nicht von Wertungen des Gerichts abhängig sein. Allerdings dürfte es ohnehin immer einen Restanteil von Wertungen geben, da die Briefbögen oft den Namenszug der Kanzlei in lesbarer, aber grafisch-künstlerischer Weise umgestalteter Form enthalten. Diese Anteile sind ohnehin nicht durchsuchbar, da sie digital als Bild dargestellt werden.

Notwendig sei es aber, dass jedenfalls in bestimmenden Schriftsätzen im zu lesenden, durchsuchbaren Teil des Schriftsatzes das volle eigene Rubrum in Bezug auf den Prozessvertreter vorhanden sei.

Hintergrund „Durchsuchbarkeit“

Der Begriff der „Durchsuchbarkeit“ bezieht sich auf darauf, dass das Dokument in texterkannter Form (OCR) einzureichen ist. Dies ergibt sich aus der Verordnungsbegründung (S. 12) und dem Zweck der Vorschrift. Der Sinn und Zweck ist ausweislich der Verordnungsbegründung, die pragmatische Idee, dass hierdurch die Weiterbearbeitung im Gericht und bei weiteren Verfahrensbeteiligten gefördert wird.

… die Anforderungen ermöglichen das barrierefreie elektronische Vorlesen des elektronischen Dokuments für blinde und sehbehinderte Personen und erleichtern die elektronische Weiterverarbeitung durch die Gerichte, Gerichtsvollzieherinnen und Gerichtsvollzieher, Behörden, Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte und weiteren Verfahrensbeteiligten, denen das elektronische Dokument übermittelt wird.

Die Verordnungsbegründung führt weiter aus: Ein eingescannter Schriftsatz kann als elektronisches Dokument übermittelt werden, wenn es mit einem Texterkennungsprogramm als OCR-Scan (Optical Character Recognition) erstellt wurde. Zudem wird – neben diesem Hinweis aus der Verordnungsbegründung – der Regelfall sein, dass der Schriftsatz mit einem Textverarbeitungsprogramm erstellt wurde, das ein Abspeichern als PDF zulässt.

Nähere Informationen zur Durchsuchbarkeit –> hier.

Hintergrund „Dateiformat im elektronischen Rechtsverkehr“

Zulässiges Dateiformat für formbedürftige Schriftsätze im elektronischen Rechtsverkehrs ist gem. § 2 Abs. 1 ERVV grundsätzlich eine druckbare, kopierbare und, soweit technisch möglich, durchsuchbare PDF-Datei. Zusätzliche Beschränkungen ergeben sich aber aus den Bekanntmachungen der Bundesregierung gem. § 5 Abs. 1 Nr. 1 ERVV. Diese sind unter www.justiz.de einsehbar.

Die ERVB 2018 (Bekanntmachung zum elektronischen Rechtsverkehr gem. § 5 ERVV) sehen als Dateiversionen für PDF-Einreichungen PDF einschließlich Version 2.0 (also sämtliche ältere Formate), PDF/A-1, PDF/A-2 und PDF/UA vor. Weitere Einschränkungen ergeben sich aus den ERVB 2019

Autor: Prof. Dr. Henning Müller

Direktor des Sozialgerichts