LSG NRW: E-Mail-to-Fax reicht nicht

Vor allem bei sog. Naturparteien ist nicht selten immer noch das Telefax Mittel der Wahl, um Gerichte auch ohne Briefpost zu erreichen. Auch wenn es Zeit wird, dass die letzten Faxgerät ihren Platz im Museum finden; noch muss sich die Rechtsprechung immer wieder mit dessen Formanforderungen beschäftigen, denn gem. § 130 Nr. 6 ZPO ist auch das Telefax ein zugelassener Übermittlungsweg. Aktuelle Rechtsprechung hierzu gibt es bereits vom VG Dresden und dem Hessischen Landessozialgericht. Dem Hessischen Landessozialgericht hat sich nun auch das Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen angeschlossen (Beschluss v. 8.4.2021 – L 12 AS 311/21 B ER).

Sachverhalt

Der Antragsteller hatte einen Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz beim Sozialgericht Duisburg per „Internetfax“ übersandt. Hierzu hatte er  im Programm Outlook eine E-Mail erstellt und an einen E-Mail-to-Fax-Anbieter gesandt. Das vom SG empfangene Telefax enthielt weder ein Erstellungsdatum noch eine Unterschrift des Antragstellers.

Das Sozialgericht hat den Eilantrag als unzulässig abgelehnt. Das LSG NRW hat diese Entscheidung gehalten.

Wesentliche Entscheidungsgründe

Während beim Telefax ein unterschriebenes Original vorliege und beim Computerfax durch die eingescannte Unterschrift sowie die mit übermittelte Anschlussnummer der am Gericht eingehenden Kopie hinreichend zuverlässig entnommen werden könne, dass die Erklärung abgeschlossen sei und von der Person willentlich in den Verkehr gebracht worden sei, von der sie auszugehen scheint, sei dies beim „E-Mail-to-Fax“-Verfahren nicht in gleicher Weise möglich. Indem das Dokument erst elektronisch per E-Mail oder per Upload zu einem Anbieter übermittelt werde, der den Faxversand vornimmt, sei diese Bewertung nicht in gleicher Weise zuverlässig möglich. Der Anbieter transportiere nicht lediglich wie ein Post- oder Telekommunikationsunternehmen eine fremde Erklärung in seinem Netz, einschließlich der gegebenenfalls nötigen technischen Übertragungen. Es wandele vielmehr ein Dokument in das zu übermittelnde technische Format, ohne zuvor zu prüfen, ob das Dokument der Person zugeordnet werden könne, die den Übermittlungsauftrag erteilt habe. Damit sei dieses Verfahren einem Telefax vergleichbar, dem kein Original, sondern lediglich eine Kopie zugrunde liege, was die Schriftform nicht wahren würde. Daher gewährleiste die Einreichung eines Schriftsatzes im „E-Mail-to-Fax“-Verfahren die Zuordnung des Schreibens zu einer bestimmten Person auch nicht besser als eine gewöhnliche E-Mail, die der Schriftform nicht genüge.

Eine einfache E-Mail genüge der Schriftform nicht, da sie nicht die Vorgaben des § 65a SGG (= § 130a ZPO) erfülle. Nach § 65a Abs. 3 S. 1 SGG müsse das elektronische Dokument mit einer qualifizierten elektronischen Signatur der verantwortenden Person versehen sein oder von der verantwortenden Person signiert und auf einem sicheren Übermittlungsweg eingereicht werden, um formwirksam an dem nach § 65a Abs. 1 SGG grundsätzlich zugelassenen elektronischen Rechtsverkehr teilnehmen zu können. Sichere Übermittlungswege seien in § 65a Abs. 4 SGG im Einzelnen dargestellt. Diese Anforderungen erfülle eine einfache E-Mail jeweils nicht. Insofern müsse bei Verwendung eines Internetfaxes in Abgrenzung zur Übersendung per einfacher E-Mail sichergestellt sein, dass dieses nicht letztlich nur eine systemwidrige Umgehung der hochgesicherten elektronischen Kommunikationsformen gem. § 65a SGG ermöglichen soll (Hessisches LSG Beschluss vom 13.12.2018, L 6 SF 1/18 DS).

Hintergrund

Bereits seit den 1990er Jahren allgemein anerkannt und durch das Formvorschriftenanpassungsgesetz seit 2001 Gesetz geworden ist, dass ein verschriftlichtes Rechtsschutzgesuch, das mittels Telefax dem Gericht zugeleitet wird und dort ausgedruckt wird, die Schriftform wahrt. Die eigenhändige Unterschrift auf dem Original des Schriftstücks werde zwar aufgrund der Faxübertragung auf dem Ausdruck im Gericht „nur“ abgebildet, sie sei aber dennoch als solche erkennbar und erfülle die ihr zukommende Identifikations- und Nachweisfunktion. Der Gemeinsame Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes bestätigte dies sogar für das sog. „Computerfax“ : Bestimmende Schriftsätze können danach formwirksam durch elektronische Übertragung einer Textdatei mit eingescannter Unterschrift auf das Fax des Gerichts übermittelt werden, soweit der Zweck der Schriftform auf diese Weise gewährleistet wird. Unter § 130a ZPO fällt das Telefax dabei nicht, sondern es „gilt“ als schriftliches Dokument – unabhängig davon, mit welchen technischen Mitteln (klassisches Fax oder Digitalfax) das Gericht die Faxsendung empfängt. Dies ist auch folgerichtig, denn als analoge Technologie übermittelt das Telefax keine Dateien und wäre deshalb nicht in der Lage qualifizierte elektronische Signaturen zu übertragen.

Mit dem Justizkommunikationsgesetz hat der Gesetzgeber keine gesonderte Regelung zur Computerfaxübermittlung eingefügt, obschon sich in dieser Novelle sicher die Gelegenheit hierzu ergeben hätte. Diese gesetzgeberische Zurückhaltung nährte erneute Zweifel hinsichtlich der Schriftformwahrung durch Computerfax. Die neu geschaffenen hohen Anforderungen an schriftformwahrende elektronische Dokumente dienen schließlich gerade der Gewährleistung der vom GmS-OGB hervorgehobenen Authentizität und Integrität. Höchstrichterlich hat sich hiermit der BFH beschäftigt und in seiner Entscheidung die frühere Linie der Bundesgerichte zum Computerfax bestätigt:

[…] Per Telefax übersandte Bescheide sind erst mit ihrem Ausdruck durch das – auf automatischen Ausdruck eingestellte – Empfangsgerät wirksam „schriftlich erlassen“. […] Hat das Empfangsgerät nach dem unwiderleglichen Vortrag des Adressaten den Bescheid nicht ausgedruckt, gehen die sich daraus ergebenden Zweifel an der wirksamen Bekanntgabe zu Lasten der Finanzbehörde. […]

Mehr zum Thema Telefax: –> hier.

Autor: Prof. Dr. Henning Müller

Direktor des Sozialgerichts