OVG NRW: beBPo nur für eigene Mitarbeitende

Bei Nutzung des besonderen elektronischen Behördenpostfachs (beBPo) kann in der Kommunikation mit der Justiz auf eine qualifizierte elektronische Signatur verzichtet werden. Es genügt dann die einfache Signatur. Anders als beim beA (oder anderen personenbezogenen sicheren Übermittlungswegen) ist es auch nicht erforderlich, dass gerade „die verantwortende Person“, also diejenige, die den Schriftsatz einfach signiert hat, den Versendevorgang vornimmt. Zumindest muss aber die verantwortende Person Mitarbeiter:in der Behörde sein, deren beBPo genutzt wird (OVG NRW v. 27.04.2022 – 19 B 2003/21).

Sachverhalt

In einer schulrechtlichen Streitigkeit vertrat die Schulleiterin einer Schule das beklagte Land. Sie verfasste und verantwortete die Schriftsätze im Verfahren. (Wohl mangels elektronischer Übermittlungswege der Schule) übersandte die Schulleiterin die Schriftsätze über das beBPo der Bezirksregierung als Schulverwaltung.

Wesentliche Entscheidungsgründe

„Nach dem am 1. Januar 2022 in Kraft getretenen § 55d Satz 1 VwGO sind schriftlich einzureichende Anträge und Erklärungen, die durch eine Behörde eingereicht werden, als elektronisches Dokument zu übermitteln. Das elektronische Dokument muss nach § 55a Abs. 3 Satz 1 VwGO mit einer qualifizierten elektronischen Signatur (Art. 3 Nr. 12 der Verordnung (EU) Nr. 910/2014 (elDAS-VO)) der verantwortenden Person versehen sein oder von der verantwortenden Person (einfach) elektronisch signiert (Art. 3 Nr. 10 elDAS-VO) und auf einem sicheren Übermittlungsweg eingereicht werden. Sicherer Übermittlungsweg ist unter anderem der Übermittlungsweg zwischen einem nach Durchführung eines Identifizierungsverfahrens eingerichteten Postfach einer Behörde und der elektronischen Poststelle des Gerichts (§ 55a Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 VwGO). Die Behörden können zur Übermittlung elektronischer Dokumente auf einem sicheren Übermittlungsweg ein besonderes elektronisches Behördenpostfach verwenden, bei dem feststellbar ist, dass das elektronische Dokument vom Postfachinhaber versandt wurde (§ 6 Abs. 1 Nr. 4 der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (Elektronischer-Rechtsverkehr-Verordnung – ERVV) vom 24. November 2017 (BGBl. I S. 3803)). Der Postfachinhaber bestimmt die natürlichen Personen, die Zugang zum besonderen elektronischen Behördenpostfach erhalten sollen, und stellt ihnen das Zertifikat und das Zertifikats-Passwort zur Verfügung (§ 8 Abs. 1 ERVV). Er hat zu dokumentieren, wer zugangsberechtigt ist, wann das Zertifikat und das Zertifikats-Passwort zur Verfügung gestellt wurden und wann die Zugangsberechtigung aufgehoben wurde (§ 8 Abs. 4 Satz 1 ERVV). Er stellt zugleich sicher, dass der Zugang zu seinem besonderen elektronischen Behördenpostfach nur den von ihm bestimmten Zugangsberechtigten möglich ist (Satz 2). Die Zugangsberechtigten dürfen das Zertifikat nicht an Unbefugte weitergeben und haben das Zertifikats-Passwort geheim zu halten (§ 8 Abs. 2 Satz 2 ERVV).

Nach dem klaren Gesetzeswortlaut des § 55a Abs. 3 VwGO handelt es sich bei der Einreichung eines mit einer qualifizierten elektronischen Signatur nach Art. 3 Nr. 12 elDAS-VO versehenen elektronischen Dokuments einerseits und der Einreichung eines mit einer (einfachen) elektronischen Signatur nach Art. 3 Nr. 10 elDAS-VO versehenen elektronischen Dokuments auf einem sicheren Übermittlungsweg andererseits um zwei eigenständige Möglichkeiten der elektronischen Dokumentübermittlung, die gleichrangig nebeneinander stehen. Es genügt, wenn die verantwortende Person eine dieser beiden gesetzlich vorgesehenen Möglichkeiten schriftformersetzender elektronischer Übersendung wahrt.

BVerwG, Beschlüsse vom 12. Oktober 2021 – 8 C 4.21 -, DVBl. 2022, 51, juris, Rn. 10, und vom 4. Mai 2020 – 1 B 16.20, 1 PKH 7.20 -, Buchholz 310 § 55a VwGO Nr. 4, juris, Rn. 5; BSG, Beschluss vom 16. Februar 2022 – B 5 R 198/21 B -, juris, Rn. 5 (zu § 65a Abs. 3 SGG); vgl. auch BAG, Beschluss vom 14. September 2020 – 5 AZB 23/20 -, BAGE 172, 186, juris, Rn. 9 (zu § 130a Abs. 3 ZPO).

Hier hat die Schulleiterin keine dieser beiden gesetzlich vorgesehenen Möglichkeiten schriftformersetzender elektronischer Dokumentübermittlung gewahrt. Sie ist die verantwortende Person im Sinn des § 55a Abs. 3 Satz 1 VwGO; ihre Schule vertritt das Land Nordrhein-Westfalen als Antragsgegner im vorliegenden Rechtsstreit, der eine innere Schulangelegenheit zum Gegenstand hat (Nr. 7.1 des Vertretungserlasses NRW (VertrErl NRW) vom 28. Februar 2018 (MBl. NRW. S. 128)).
Weder hat die Schulleiterin im Sinn des § 55a Abs. 3 Satz 1 Alt. 1 VwGO ihr Schreiben vom 17. Januar 2022 mit einer qualifizierten elektronischen Signatur nach Art. 3 Nr. 12 elDAS-VO versehen (Prüfvermerk vom 20. Januar 2022) noch erfüllt die hier vorgenommene Fremdversendung durch eine andere Behörde, hier aus einem besonderen elektronischen Behördenpostfach (beBPo) der Bezirksregierung, die gesetz- und verordnungsrechtlichen Voraussetzungen einer Einreichung auf einem sicheren Übermittlungsweg nach § 55a Abs. 3 Satz 1 Alt. 2 VwGO. Vielmehr hat die Schulleiterin das genannte Schreiben als Papierdokument handschriftlich unterzeichnet und auf einem nicht näher mitgeteilten Weg an die Bezirksregierung übermittelt, die es sodann, ohne zugleich nach Nr. 7.2 Satz 3 VertrErl NRW die Vertretung des Landes Nordrhein-Westfalen im vorliegenden Rechtsstreit übernommen zu haben, als eingescanntes elektronisches Dokument aus ihrem beBPo mit der Absenderbezeichnung „Bezirksregierung Köln – Dezernat 48 (Schulrecht, -bau, Kirchensachen, Ersatzschulen, Sport, Weiterbildung, Kunst und Kultur)“ am 20. Januar 2022 um 8.18 Uhr an das elektronische Gerichts- und Verwaltungspostfach (EGVP) des OVG NRW übermittelt hat.

§ 55a Abs. 3 Satz 1 Alt. 2 VwGO setzt voraus, dass das elektronische Dokument von der verantwortenden Person selbst, hier also von der Schulleiterin, „signiert und auf einem sicheren Übermittlungsweg eingereicht“ wird. Ein nicht qualifiziert elektronisch signiertes elektronisches Dokument wird nur dann auf einem sicheren Übermittlungsweg im Sinn des § 55a Abs. 3 Satz 1 Alt. 2 VwGO eingereicht, wenn die den Erklärungsinhalt verantwortende Person das Dokument eigenhändig versendet. Diese eigenhändige Versendung wird durch den vertrauenswürdigen Herkunftsnachweis (vHN) dokumentiert. Er wird bei der Versendung eines elektronischen Dokuments aus einem besonderen elektronischen Anwaltspostfach (beA) und aus einem beBPo angebracht, wenn entweder (beim beA) der Postfachinhaber selbst oder (beim beBPo) der Postfachinhaber oder ein nach § 8 Abs. 1 bis 4 ERVV mit Zertifikat und Passwort ausgestatteter zugangsberechtigter Behördenangehöriger zur Übermittlung des Dokuments mit seiner persönlichen Kennung (beA) oder den vom Postfachinhaber zur Verfügung gestellten Zugangsdaten (beBPo) bei dem Verzeichnisdienst angemeldet war.

BVerwG, Beschluss vom 12. Oktober 2021, a. a. O., Rn. 4 ff. m. w. N. (beA); H. Müller, in: Ory/Weth, jurisPK-ERV Band 2, 1. Aufl., § 130a ZPO 1. Überarbeitung (Stand: 28. März 2022), Rn. 139 ff.

Nach diesen Maßstäben ist die Übermittlung vom 20. Januar 2022 aus dem beBPo der Bezirksregierung formunwirksam, obwohl der ihr beigefügte vHN dokumentiert, dass ein nach § 8 Abs. 1 bis 4 ERVV mit Zertifikat und Passwort ausgestatteter zugangsberechtigter Bediensteter der Bezirksregierung zur Übermittlung des Dokuments mit seiner persönlichen Kennung bei dem Verzeichnisdienst angemeldet war. Denn weder dieser nicht mit Namen bezeichnete Bedienstete noch die Bezirksregierung als Behörde gehen aus dem übermittelten elektronischen Dokument als diejenige Person oder Behörde hervor, welche die übermittelte Prozesserklärung durch Anbringung einer (einfachen) elektronischen Signatur nach Art. 3 Nr. 10 elDAS-VO auch inhaltlich verantwortet.
Zur (einfachen) elektronischen Signatur als Kennzeichen der Übernahme der inhaltlichen Verantwortung BSG, Beschluss vom 16. Februar 2022, a. a. O., Rn. 9; BAG, Beschluss vom 14. September 2020, a. a. O., Rn. 15 f.; OLG Bamberg, Beschluss vom 17. Februar 2022 – 2 UF 8/22 -, NJW 2022, 1260, juris, Rn. 12 f.

Diese inhaltliche Verantwortung hat vielmehr dem äußeren Anschein nach die Schulleiterin übernehmen wollen, indem sie das später gescannte Papierdokument handschriftlich unterzeichnet hat. Die Schulleiterin ist demgegenüber schon deshalb keine zugangsberechtigte Person nach § 8 Abs. 1 bis 4 ERVV, weil sie keine Behördenangehörige der Bezirksregierung ist. Einer Übergabe von Zertifikat und Passwort an behördenfremde Personen dürften das Weitergabeverbot und das Geheimhaltungsgebot aus § 8 Abs. 2 Satz 2 ERVV entgegenstehen.

Fehlt es danach hier an der Identität der das elektronische Dokument inhaltlich verantwortenden Person mit derjenigen Person, die es eigenhändig aus einem sicheren Übermittlungsweg versandt hat, sind die Anforderungen an eine sichere elektronische Übermittlung verfehlt, weil in diesen Fällen kein zuverlässiger Schutz vor einer unautorisierten Versendung und vor spurenlosen elektronischen Textmanipulationen am Dokument gewährleistet ist.

BVerwG, Beschluss vom 12. Oktober 2021, a. a. O., Rn. 5; BAG, Beschluss vom 14. September 2020, a. a. O., Rn. 16 m. w. N.; Nds. OVG, Beschluss vom 15. März 2022 – 14 MN 176/22 -, juris, Rn. 11; zur Fremdversendung einer behördlichen Beschwerdeschrift aus dem beA eines nicht bevollmächtigten Rechtsanwalts vgl. OVG NRW, Beschluss vom 16. März 2022 – 10 B 23/22 -, S. 5 f. des Beschlusses.

(Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 27. April 2022 – 19 B 2003/21  Rn. 4 – 15)

Praxishinweis

Was hätte die Schulleiterin also tun können, um ohne (eigenen) elektronischen Übermittlungsweg einreichen zu können? Letztlich hätte sie idealerweise qualifiziert elektronisch signieren müssen; dann hätte auch über das beBPo der Schulverwaltung übermittelt werden können. Anders als ein sicherer Übermittlungsweg lässt sich eine qeS schnell beschaffen.

Der ERV mit den Gerichten sieht in § 130a Abs. 3 ZPO zwei Möglichkeiten vor: Versendet die verantwortende Person über das beA selbst (d.h. ist selbst eingeloggt und drückt den Sende-Button), genügt unter dem Schriftsatz seine einfache Signatur (d.h. der maschinenschriftliche Name oder die eingescannte Unterschrift). Versendet jemand anderes (bspw. das Sekretariat, ein Vertreter etc. oder wie hier eine andere Behörde) muss das Dokument auch weiterhin qualifiziert elektronisch signiert werden; auch, wenn es über das beA versandt wird.

Ebenfalls in Betracht gekommen wäre, dass die Schulverwaltung bevollmächtigt wird. Dann hätte ein Mitarbeitender der Schulverwaltung einfach signieren müssen.

Mitleid ist übrigens nicht angezeigt: Natürlich benötigen auch Schulen sichere Übermittlungswege. Schulen nehmen natürlich schwerpunktmäßig andere Aufgaben als die Prozessvertretung wahr. Sie sind aber Behörden und fallen damit unter die Verpflichtung des § 173 Abs. 2 Nr. 2 ZPO.

Autor: Prof. Dr. Henning Müller

Direktor des Sozialgerichts