Sowohl im Rahmen der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, als auch bei der Ersatzeinreichung gem. § 130d ZPO kann es auf eine sorgfältige Kanzleiorganisation in Bezug auf Postausgänge des elektronischen Rechtsverkehrs ankommen. Einmal mehr hat der BGH (v. 8. September 2023 – IV ZB 4/23) die hieran zu stellenden Anforderungen konkretisiert.
Die von der Klägerin vorgetragene Organisation genügte den
Anforderungen an eine sorgfältige Kanzleiorganisation nach Ansicht des BGH nicht.
Zwar habe die Klägerin geltend gemacht, der Klägervertreter habe durch einen zweifachen Kontrollmechanismus Vorkehrungen geschaffen, um nicht nur das Befüllen des beA-Faches, sondern auch die beA-Eingangsbestätigung zu überprüfen, und damit hinreichende Anweisungen zur Fristenkontrolle durch die Kanzleimitarbeiterin
getroffen. Damit sei aber lediglich dargelegt, welche organisatorischen
Voraussetzungen üblicherweise für die Eintragung der Fristen als erledigt
bestünden. Es sei gerade nicht dargelegt, welcher Kontrollmechanismus
verhindere, dass eine versehentlich als erledigt eingetragene Frist tatsächlich noch offen stehe, weil – wie hier – etwa eine Fehlermeldung der
Kanzleisoftware bei der Übermittlung in das beA übersehen worden sei
oder – wie hier zusätzlich – eine Eingangsbestätigung nach § 130a Abs. 5
Satz 2 ZPO fehle und daher keine Sicherheit darüber bestehe, dass der
Sendevorgang an das Gericht erfolgreich gewesen sei. Schließlich habe
die Klägerin nicht vorgetragen, in welchem Maße der Klägervertreter stichprobenartig kontrolliere, ob die Büroangestellte, wie vorliegend, offenbar ohne jeden entsprechenden Beleg gleichsam ins Blaue hinein die Erledigung aller Fristen objektiv wahrheitswidrig behaupte.
Im konkreten Fall habe das frühzeitige fälschliche Eintragen der Rechtsmittelfrist als „erledigt“ gerade dazu geführt, dass eine weitere Kontrolle – die zweifache Kontrolle sowohl der Übermittlungsbestätigung als auch der Eingangsbestätigung – ausgeblieben sei und dieses zweifache Warnanzeichen weder von der Büroangestellten noch von dem Prozessbevollmächtigten selbst bemerkt worden sei. Um derartige Fehler zu vermeiden, werde allgemein verlangt, dass der Rechtsanwalt auch die Kontrolle ausgehender Schriftsätze organisieren und eine Weisung dahingehend erteilen müsse, dass die Erledigung fristgebundener Sachen am Abend eines jeden Arbeitstages durch eine dazu beauftragte Bürokraft ausgehend von den Eintragungen im Fristenkalender nochmals selbständig überprüft werde. Daran fehle es hier jedoch, ebenso wie an entsprechenden stichprobenartigen Kontrollen durch den Rechtsanwalt selbst. Die Fristversäumung beruhe gerade auch auf diesem Organisationsmangel.
Hintergrund
Für die elektronische Postausgangskontrolle verlangt die Rechtsprechung vor allem, dass der Erhalt der Eingangsbestätigung gem. § 130a Abs. 5 Satz 2 ZPO kontrolliert wird. Die über das beA versandte Nachricht lässt sich – einzeln – aus dem beA-Webclient exportieren. Die dadurch erzeugte .zip-Datei dient dem Nachweis des erfolgreichen Versands, einschließlich Nachweisen über den versandten Inhalt (die übersandte Datei ist enthalten), den Versandzeitpunkt (die Eingangsbestätigung des Gerichts befindet sich in der Datei „x_export.html“) und eine gültige qualifizierte elektronische Signatur, sofern erforderlich.
Zusammenfassend ergibt sich (inhaltlich) der folgenden Pflichtenkanon:
1. Bei der Ausgangskontrolle ist dem beA-Anwender der Risikobereich bis zum Eingang bei der korrekten Posteingangsschnittstelle beim Intermediär zugewiesen. Der weitere Ablauf liegt außerhalb seines Risikobereichs. Deshalb ist die automatisierte Eingangsbestätigung gem. Absatz 5 Satz 2 zu prüfen und abzuspeichern.
2. Der Anwender muss prüfen, ob seine beA-Nachricht den beabsichtigten Anhang enthalten hat (war überhaupt ein Anhang vorhanden und – anhand des Dateinamens – war der richtige Anhang beigefügt). Entweder beim Speichern oder beim Versenden ist auch der Inhalt der Datei zu prüfen.
3. Der Dateinamen darf keine unzulässigen Zeichen enthalten.
4. Die Übersendung muss an das zutreffend ausgewählte Gericht erfolgen.
Die Kontrolle und Aufbewahrung der automatisierten Eingangsbestätigung ist nach der Rechtsprechung des BGH (BGH v. 11.05.2021 – VIII ZB 9/20; BGH v. 14.05.2020 – X ZR 119/18) Teil der anwaltlichen Sorgfaltspflicht378 beim elektronischen Nachrichtenversand und entsprechend in der Kanzleiorganisation zu berücksichtigen. Die Eingangsbestätigung soll dem Absender unmittelbar und ohne weiteres Eingreifen eines Justizbediensteten Gewissheit darüber verschaffen, ob die Übermittlung an das Gericht erfolgreich war oder ob weitere Bemühungen zur erfolgreichen Übermittlung des elektronischen Dokuments erforderlich sind. Hat der Rechtsanwalt eine Eingangsbestätigung nach § 130a Abs. 5 Satz 2 ZPO erhalten, besteht Sicherheit darüber, dass der Sendevorgang erfolgreich war. Bleibt sie dagegen aus, muss dies den Rechtsanwalt zur Überprüfung und gegebenenfalls erneuten Übermittlung veranlassen.
Es fällt in den Verantwortungsbereich der Rechtsanwältin oder des Rechtsanwalts, das in seiner Kanzlei für die Versendung fristwahrender Schriftsätze über das beA zuständige Personal dahingehend anzuweisen, Erhalt und Inhalt der automatisierten Eingangsbestätigung nach § 130a Abs. 5 Satz 2 ZPO nach Abschluss des Übermittlungsvorgangs stets zu kontrollieren. Die Kontrolle des Signaturvorgangs allein reicht für eine ordnungsgemäße Ausgangskontrolle nicht aus (BGH v. 24.05.2022 – XI ZB 18/21). Für die Ausgangskontrolle des elektronischen Postfachs bei fristgebundenen Schriftsätzen genügt nicht die Feststellung, dass die Versendung irgendeines Schriftsatzes mit dem passenden Aktenzeichen an das Gericht erfolgt ist, sondern anhand des zuvor sinnvoll vergebenen Dateinamens ist auch zu prüfen, welcher Art der Schriftsatz war (BGH v. 17.03.2020 – VI ZB 99/19 – juris Rn. 16; siehe Schwenker, jurisPR-BGHZivilR 22/2022 Anm. 2; (H. Müller in: Ory/Weth, jurisPK-ERV Band 2, 2. Aufl., § 130a ZPO (Stand: 12.09.2023), Rn. 415_2).
Die sorgfältige Kanzleiorganisation ist ggf. im Fall der Ersatzeinreichung gem. § 130d Sätze 2-3 ZPO oder eben – wie hier – im Fall der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand glaubhaft zu machen (VGH München v. 11.01.2023 – 11 CS 22.2308). Eine nicht nur interne Dokumentation der Arbeitsanweisungen, die bei Bedarf vorgelegt werden kann, ist deshalb zweckmäßig.
Dieselben Anforderungen, die an die anwaltliche Sorgfalt zu stellen sind, sind auch an die Behördenorganisation zu stellen. Auch eine Behörde darf nicht ohne Verschulden davon ausgehen, dass die Kontrolle des Erhalts einer Eingangsbestätigung des Gerichts entbehrlich sei. Dies gilt unabhängig davon, ob es verwaltungsintern zur Durchführung dieser Kontrolle angewiesen ist oder nicht. Die Verwaltung kann ihre Sorgfaltspflichten bei der elektronischen Übermittlung von Schriftsätzen an das Gericht nicht selbst durch Verwaltungsanweisungen definieren. Außerdem kann es an sich selbst keine geringeren Anforderungen stellen als an die anderen Beteiligten, die zur elektronischen Übermittlung an das Gericht verpflichtet sind (BFH v. 24.05.2023 – XI R 34/21).