Finanzämter bald nicht mehr mittels beA erreichbar? – Entwarnung

Zu einem Aufschrei führt aktuell zurecht der Referentenentwurf des Bundesfinanzministeriums (BMF) eines Jahressteuergesetzes 2024 (JStG 2024). Dadurch soll § 87a AO geändert werden, mit der Folge, dass das beBPo der Finanzämter bald nur noch ausnahmsweise genutzt werden darf. Damit wären Steuerberaterinnen und Steuerberater mit ihrem beSt sowie Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte mit ihrem beA im Besteuerungsverfahren bald darin gehindert, die Finanzämter zu erreichen. Update: In dem Regierungsentwurf ist das noch im Referentenentwurf enthaltene Vorhaben nicht mehr enthalten.

Inhalt des Referentenentwurfs

§ 87a AO soll nach dem Referentenentwurf wie folgt geändert werden:

a) Nach Absatz 1 Satz 1 wird folgender Satz eingefügt:
„Wenn für die Übermittlung von Nachrichten und Dokumenten an Finanzbehörden ein sicheres elektronisches Verfahren zur Verfügung steht, das den Datenübermittler authentifiziert und die Vertraulichkeit und Integrität des Datensatzes gewährleistet, ist die Übermittlung elektronischer Dokumente an Finanzbehörden mit einer qualifizierten elektronischen Signatur oder über das besondere elektronische Behördenpostfach außerhalb gerichtlicher Verfahren nur zulässig, soweit dies gesetzlich ausdrücklich zugelassen ist.“

In der Entwurfsbegründung findet sich hierzu der folgende Text:

Nach § 87a Absatz 1 Satz 1 AO ist im Besteuerungsverfahren die Übermittlung elektronischer Dokumente zulässig, soweit der Empfänger hierfür einen Zugang eröffnet hat. Ein elektronisches Dokument ist zugegangen, sobald die für den Empfang bestimmte Einrichtung es in für den Empfänger bearbeitbarer Weise aufgezeichnet hat (§ 87a Absatz 1 Satz 2 1. Halbsatz AO).

Bevorzugter und seit Jahren erprobter elektronischer  Kommunikationskanal zwischen Steuerpflichtigen oder ihren Bevollmächtigten und den Finanzämtern sind das Verfahren ELSTER bzw. die Schnittstelle ERiC. Dieser Kommunikationskanal gewährleistet für den Absender eine schnelle und ressourcenschonende Bearbeitung seines Anliegens und genügt auch den Anforderungen des § 87a Absatz 6 AO, da es den Datenübermittler authentifiziert und die Vertraulichkeit und Integrität des Datensatzes gewährleistet. 

Bei Nutzung des Verfahrens ELSTER bzw. der Schnittstelle ERIC wird durch die automatisierte steuernummerngenaue Zuordnung auf Empfängerseite die zuständige Bearbeiterin bzw. der zuständige Bearbeiter medienbruchfrei erreicht. Dies stellt eine schnellstmögliche Verarbeitung innerhalb der finanzamtsinternen IT-Fachverfahren sicher. Da der Schwerpunkt der elektronischen Kommunikation gegenwärtig in der Übermittlung
von elektronischen Steuererklärungen und Steueranmeldungen im Verfahren nach § 87a Absatz 6 AO und künftig vermehrt der Abruf elektronischer Verwaltungsakte im Verfahren nach § 87a Absatz 8 in Verbindung mit § 122a AO liegt, ist die Nutzung der Verfahren ELSTER bzw. ERiC bei den mit der Erstellung und Übermittlung von Steuererklärungen beauftragten Angehörigen der rechts- und steuerberatenden Berufen vorgegeben.

ELSTER bzw. ERiC erlauben (etwa in Form des Formulars „Sonstige Nachricht an Finanzamt“) allerdings auch den Versand von Anhängen (z. B. elektronischen Schriftsätzen im PDF-Format), wobei gegenwärtig lediglich folgende technische Beschränkungen zu beachten sind:

– maximal 100 Seiten je PDF,
– maximal 20 Anhänge,
– maximal 10,4 MB pro Anhang und
– insgesamt maximal 38,7 MB (ERiC) bzw. 14 MB (ELSTER).

Auf andere Weise (sei es durch einfache unverschlüsselte E-Mail, durch Übermittlung mit qualifizierter elektronischer Signatur oder von einem besonderen elektronischen Anwalts- oder Steuerberaterpostfach an das besondere elektronische Behördenpostfach) elektronisch übermittelte „sonstige“ Dokumente beeinträchtigen das steuerliche Massenverfahren erheblich. Hierbei ist auch zu berücksichtigen, dass die Nutzung der besonderen elektronischen Behördenpostfächer ausschließlich für die elektronische Kommunikation in gerichtlichen Verfahren eingeführt wurde und deshalb in den Finanzbehörden nur wenige Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter dieses Verfahren nutzen können und sollen.

Angesichts der gegenwärtig überdurchschnittlich hohen Belastungen der Finanzverwaltung muss die elektronische Übermittlung von Schriftsätzen an Finanzbehörden deshalb – außerhalb der im Besteuerungsverfahren immer seltener anzutreffenden Fälle des § 87a Absatz 3 AO (Ersetzung der gesetzlich vorgeschriebenen Schriftform durch die elektronische Form) sowie außerhalb gerichtlicher Verfahren – durch Übermittlung mit qualifizierter elektronischer Signatur oder von einem besonderen elektronischen Anwalts- oder Steuerberaterpostfach an das besondere elektronische Behördenpostfach gesetzlich ausgeschlossen werden, soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist.

Anmerkung

Die Entwurfsbegründung macht aus den Motiven des Gesetzgebers keinen Hehl. Bevorzugtes Kommunikationsmittel der Finanzämter (angeblich auch der Bürgerinnen und Bürger, sowie der Steuerberaterinnen und Steuerberater) ist ELSTER. Die parallele Erreichbarkeit der Finanzämter über ihr (für das gerichtliche Verfahren) unerlässliche besondere elektronische Behördenpostfach (beBPo) beeinträchtige dagegen das steuerliche Massenverfahren erheblich (wohl bspw., weil nur das für das Steuerrecht „passgenaue“ Elster den Nutzer zur Eingabe der Steuernummer zwingt).

Es handelt sich bei diesem Entwurf erneut um ein Gesetz, mit dem im Wege normativer Vorgaben technische Unzulänglichkeiten behoben werden sollen. Tatsächlich beeinträchtigen ja nicht die parallelen Kommunikationswege das Alltagsgeschäft der Finanzämter, sondern lediglich, dass seit der Einführung des beBPo mit dem eJustice-Gesetz (also letztlich seit 2013, mindestens aber seit 2018) versäumt worden ist, Schnittstellen und Gateways zwischen ELSTER und der EGVP-Infrastruktur zu schaffen. Ähnlich, wie eine Interoperabilität zwischen der (ebenfalls ungeliebten) De-Mail durch ein Gateway hergestellt wurde, hätte die Technik miteinander verknüpft werden müssen, anstatt Jahre später gesetzgeberische flicken zu müssen.

Das Versäumnis ist in erster Linie ärgerlich für die Rechtsanwaltschaft, die mittlerweile schwerpunktmäßig mit ihrem beA kommuniziert. Die Steuerberaterinnen und Steuerberater werden aufgrund der Besonderheiten der Steuerberaterplattform letztlich besser mit der Änderung umgehen können. So oder so, müssen bereits etablierte Prozesse in den Kanzleien erneut überdacht und ggf. verändert werden; mindestens ein Ärgernis also.

Hinzu kommt, dass der Gesetzgeber die ohnehin als anachronistisch beäugte EGVP-Kommunikation ein weiteres Mal in eine Sackgasse führt. Klar ist, dass auch das beA letztlich nur die Postkutsche digitalisiert. Wenn es nun aber hinsichtlich seiner Möglichkeiten weiter beschnitten wird, ist verständlich, dass die Nutzerakzeptanz eher schlechter als besser wird.

Auch systematisch bedeutet die Änderung des § 87a AO eine Abkehr von den Grundsätzen des elektronischen Verwaltungsverfahrens, wie sich sich aus § 3a VwVfG und § 36a SGB I ergeben. Sämtliche anderen Behörden müssen – aus Gründen der Bürgerfreundlichkeit – ebenfalls mit sämtlichen Kommunikationswegen umgehen können. Und Massenverfahren gibt es nicht nur im Steuerrecht; die steuerrechtliche „Sonderlocke“ ist auch aus diesem Gesichtspunkt deshalb wenig plausibel.

Autor: Prof. Dr. Henning Müller

Direktor des Sozialgerichts