beA startet (wieder): Was ist zu tun? Was werden die Gerichte tun?

Am 3. September 2018 startet (erneut) das besondere elektronische Anwaltspostfach (beA). Anders als im Jahr 2017 besteht unmittelbar ab dem Start die sog. passive Nutzungspflicht gem. § 31a Abs. 6 BRAO. Aus Sicht der Rechtsanwaltschaft ist die – nun knappe – Vorbereitungszeit ernst zu nehmen, denn auch in den Gerichten werden die notwendigen Vorbereitungen nun getroffen. Sämtliche deutschen Gerichte sind empfangsbereit [1]; einige Gerichte, insbesondere die Fachgerichtsbarkeiten, sind auch sendebereit.

  1. Was ist zu tun?

Gem. § 31a Abs. 6 BRAO ist der Inhaber des besonderen elektronischen Anwaltspostfachs verpflichtet, die für dessen Nutzung erforderlichen technischen Einrichtungen vorzuhalten sowie Zustellungen und den Zugang von Mitteilungen über das besondere elektronische Anwaltspostfach zur Kenntnis zu nehmen. Um dieser berufsrechtlichen Pflicht zu genügen, sind deshalb folgende Maßnahmen – schnellstmöglich – zu ergreifen:

  • Bestellung der beA-Karte ( selbstredend genügt für die Erfüllung der passiven Nutzungspflicht die beA-Karte „Basis“, empfehlenswert ist dennoch die beA-Karte mit Signaturfunktion, weil je nach organisatorischer Ausgestaltung der Kanzleiarbeit – die sich vielleicht mit zunehmender Erfahrung auch verändert – die Nutzung einer qualifizierten elektronischen Signatur weiterhin sinnvoll sein kann).
    • Mitarbeiterkarten: Das beA wird mittelfristig das Rückgrat Ihrer rechtsverbindlichen Kommunikation werden. Der ständige Zugriff auf das beA wird existentiell! Um sicherzustellen, dass Sie auch bei Verlust oder Beschädigung Ihrer beA-Karte Zugriff auf Ihr Postfach haben, sollten Sie überlegen, ob Sie sich nicht eine zweite beA-Karte oder eine Signaturkarte eines anderen Anbieters anschaffen.[2] Es sollte darüber hinaus auch ein Zugang für das Sekretariat geschaffen werden. Hierfür kann entweder die beA-Karte „Mitarbeiter“ oder ein Softwarezertifikat für Mitarbeiter beschafft werden. Das Softwarezertifikat kann auf einem beliebigen Speichermedium – also insbesondere der Festplatte abgelegt werden. Unter IT-Sicherheitsgesichtspunkten spricht mehr für die beA-Karte „Mitarbeiter“. Diese kann einem ausscheidenden Mitarbeiter physisch abgenommen werden oder in einen Tresor eingeschlossen werden (andererseits kann sie natürlich auch verloren gehen – dann steht einem Missbrauch aber immer noch ein PIN-Schutz entgegen). Das Softwarezertifikat ist dagegen – wie jede Software – kopierbar und damit „flüchtiger“.
  • Vorbereitung des beA-Clients:
    • Deinstallieren Sie – falls noch nicht geschehen – die alte Client Software und ggf. das Zertifikat „bealocalhost“.
    • Installieren Sie die neue beA-Client Security.
    • Führen Sie – falls in der Vergangenheit noch nicht erfolgt – die Erstregistrierung durch.

 

  • Beschaffung der notwendigen Hardware und Infrastruktur:
    • Kartenleser: Erforderlich für die Nutzung des beA ist insbesondere ein kompatibler Kartenleser. Bei älteren Kartenlesern muss evtl. die Firmware einem Update unterzogen werden.
  • Scanner/Drucker: Gerade in der Übergangszeit ist ein Medienbruch nicht zu vermeiden: Hinterfragen Sie deshalb mittelfristig, ob Ihre Scanner und Drucker ausreichend sind.

Achten Sie beim Scanner vor allem auf drei Merkmale:

    • Die in der gewünschten Qualität gescannten Dateien müssen von der Scan-Software ausreichend komprimiert werden, d.h. die Dateigröße muss möglichst gering sein. Dies hat zwei Vorteile: Erstens kann man zwischen den Dateien schneller „blättern“, weil die Ladezeiten bei kleinen Dateien geringer sind. Zweitens bekommen Sie seltener Probleme mit der noch bestehenden maximalen Versendemenge in EGVP von 60 MB. Diese Größenbeschränkung soll demnächst zwar erweitert und später ganz aufgehoben werden; derzeit besteht sie aber noch.Die gewünschte Qualität des Scans ergibt sich aus einer einfachen Sichtprüfung. Scannen Sie einen Text ein und fragen Sie sich dann, ob Sie selbst mit dieser Datei arbeiten wollen würden. Evtl. sind hier mehrere Versuche erforderlich, in denen vor allem mit der Auflösung („dpi“) variiert werden sollte. Unterschiede macht es auch, zwischen schwarz-weiß, Graustufen und farbigen Scan zu unterscheiden. Regelmäßig, für Texte, genügt ein schwarz-weiß-Scan; nur wenn Farben sinnerhaltend sind, sollte auch farbig gescannt werden (farbige Tabellen, Fotos etc.).
    • Prüfen Sie die Qualität der Texterkennung („OCR“) Ihrer Scansoftware. Viele „Mehrwerte“ eines elektronischen Dokuments (Volltextsuche, Copy&Paste etc.) erschließen sich erst über die Texterkennung. Ist die Texterkennung schlecht, d.h. werden bspw. häufig einzelne Buchstaben nicht erkannt, funktioniert auch die Volltextsuche nicht. Weder bei Ihnen, noch beim Empfänger der Nachricht.
    • Im Interesse Ihrer Mitarbeiter ist schließlich, dass der Scanner die Dokumente mit einer adäquaten Geschwindigkeit einzieht und verarbeitet. Achten Sie also auf einen Scanner mit möglichst umfangreichem Mehrfachblatteinzug (auf keinen Fall also die früher gebräuchlichen Flachbettscanner, auf die jeweils nur ein Blatt gelegt werden konnte). Zudem sollte der Einzug mit einer vertretbaren Geschwindigkeit geschehen. Viele Scanner – vor allem Multifunktionsgeräte, die auch gleichzeitig drucken und faxen – sind für den Consumer-Markt, nicht für den professionellen Einsatz, gebaut. Sie sind nicht nur langsam, sondern die Mechanik ist auch defektanfällig, wenn sie häufig genutzt wird. Die Hersteller bieten daher Übersichten darüber, welches Gerät für welches Scanvolumen empfohlen wird. Fragen Sie ggf. nach.

 

  • Internetzugang:
    • Upload-Rate: Da die Angebote von Internet-Dienstleistern in der Regel auf den Consumer-Markt zugeschnitten sind, sind die Download-Raten (Herunterladen von Daten aus dem Internet; also bspw. der Empfang von Schriftsätzen) regelmäßig deutlich höher als die Upload-Raten (Übertragung von eigenen Daten in das Internet; also bspw. Übertragung von Dokumenten aus der eigenen Kanzlei zum Gericht). In der anwaltlichen Praxis ist aber gerade der Upload evtl. zeitkritisch. Sollten Sie dies daher als Problem für sich identifizieren, weil Sie häufig größere Datenmengen (Fotos, Baupläne etc.) versenden, achten Sie auf eine möglichst hohe Upload-Rate bei Ihrem Vertrag. Praktisch wichtiger als ein schneller Download, ist also ein schneller Upload! Schätzen Sie aber – bevor Sie hier hohe Grundgebühren in Kauf nehmen – Ihren Bedarf realistisch ein. Wenn Sie regelmäßig nur Texte verschicken und dies selten nur Minuten vor Fristablauf tun, werden übliche Upload-Raten für Sie ausreichen.
    • Redundante Internetverbindung: Keine Sorge, es droht kein Rechtsverlust, wenn eine elektronische Einreichung wegen des vorübergehenden Ausfalls der Internetverbindung unmöglich ist und dieser glaubhaft gemacht wird. Eine Ersatzeinreichung auf konventionellem Weg bleibt selbst nach Eintritt der sog. aktiven Nutzungspflicht noch möglich (das elektronische Dokument ist freilich regelmäßig nachzureichen), § 130d Satz 2-3 ZPO n.F. Dennoch sollte über eine redundante Datenleitung nachgedacht werden. Hierzu werden bereits für wenig Geld leistungsfähige Datenflatrates im Mobilfunknetz angeboten. Die Güte der Verbindung ist regional sehr unterschiedlich zwischen den beiden D-Netzen und dem E-Netz. Überprüfen Sie die Qualität und Geschwindigkeit der Verbindung an Ihrem Standort vor dem Vertragsschluss. Als positiver Nebeneffekt ermöglicht eine solche Datenflatrate im Mobilfunknetz dann natürlich auch die Arbeit mit dem beA von unterwegs.

 

2. Was passiert rechtlich am 3. September 2018?

Ab dem 3. September 2018 lebt durch die faktische Verfügbarkeit die sog. passive Nutzungspflicht des beA gem. § 31a Abs. 6 BRAO wieder auf. Die Postfachinhaber müssen daher – berufsrechtlich – Nachrichten, die im beA eingehen zur Kenntnis nehmen und gegen sich gelten lassen.

Eine aktive Nutzungspflicht besteht grundsätzlich nicht. Diese tritt erst ab dem 1. Januar 2022 gem. § 130d ZPO ein (es besteht eine Opt-In – Möglichkeit für die Länder zum 1.1.2020 oder 1.1.2021 – hiervon hat bislang kein Land Gebrauch gemacht, obschon Überlegungen in der Vergangenheit bestanden; bspw. im eJuNi-Projekt des Landes Niedersachsen).

Die einzige aktive Nutzungspflicht des beA besteht darin, elektronische Empfangsbekenntnisse (eEB), die bei förmlichen elektronischen Zustellungen angefordert werden, als strukturierten maschinenlesbaren Datensatz (den das beA aber automatisch erstellt) zurückzusenden, § 174 Abs. 3, 4 ZPO. Der Rücksendung des eEB dürfen keine weiteren Dateien beigefügt werden.

 

3. Was machen die Gerichte

Alles deutschen Gerichten mit Ausnahme des BVerfG sind seit dem 1. Januar 2018 empfangsbereit. Das beA kann daher – auch ohne vorherige Rückfrage – für elektronische Einreichungen bei jedem deutschen Gericht genutzt werden. Ein Opt-out wurde nur für Strafsachen und OWi-Verfahren in einzelnen Ländern erklärt (http://bea.brak.de/bea-und-erv/achtung-opt-out/).

Um das Gericht im Adressbuch zu finden, muss dessen vollständige Bezeichnung (bspw. „Sozialgericht“) im Feld Name und dessen Sitz (bspw. „Darmstadt“) im Feld Ort eingegeben, sowie das komplette Adressbuch („Gesamtes Verzeichnis“ anklicken) durchsucht werden.

Viele Gerichte, insbesondere in der ordentlichen Gerichtsbarkeit sind noch nicht in der Lage, elektronische Dokumente zu versenden. Dennoch wäre es ein Fehler zu meinen, dass das beA zwar eingerichtet, aber nicht weiter beachtet werden muss:

  • Insbesondere viele Gerichte der Fachgerichtsbarkeit sind technisch in der Lage Dokumente elektronisch zu versenden. Sie können die elektronische Kommunikation auch „initiativ“ nutzen; d.h. ohne vorher Ihr Einverständnis einzuholen. Hierin liegt ein wesentlicher Unterschied zur Rechtslage bis 31.12.2017. Dieser sog. initiative elektronische Rechtsverkehr ist aus gerichtlicher Sicht die Kehrseite der passiven Nutzungspflicht.

Es darf vermutet werden, dass die Gerichte aufgrund der auch anwaltsgerichtlichen Streitigkeit und der mit dem Einpflegen der beA-IDs verbundenen Mühe diesmal etwas zurückhaltender bei der initiativen Nutzung sein werden, zumal auch die Gerichte kein Interesse an Fehlzustellungen und Erinnerungen an (elektronische) Empfangsbekenntnisse haben. Andererseits ist der elektronische Workflow für Gerichte, die bereits in der Lage sind elektronisch zu senden, ein erheblicher Effizienzgewinn; daher sollten Sie sich nicht darauf verlassen, keine Posteingänge von Seiten der Justiz zu bekommen.

  • Das beA kann auch für die Zustellung von Anwalt zu Anwalt genutzt werden. Die Vorteile sowohl für den Absender als auch für den Zustellungsempfänger liegen auf der Hand: Das Dokument liegt unmittelbar in elektronischer Form vor und kann entsprechend weiterbearbeitet oder auch weitergereicht werden. Die Zustellung erfolgt – wie immer im elektronischen Rechtsverkehr – aber nur gegen EB, §§ 195, 174 Abs. 3 ZPO.

 

  • Die Gerichte prüfen anhand entsprechender Checklisten, ob die Formanforderungen an elektronische Einreichungen erfüllt sind. In vielen Gerichten haben zwischenzeitlich entsprechende Schulungen stattgefunden haben. Hinsichtlich der qualifizierten elektronischen Signatur ist zu beachten, dass diese nur dann verzichtbar ist, wenn „die verantwortende Person“ (beim beA also die Rechtsanwältin oder der Rechtsanwalt) den Schriftsatz selbst versandt hat. Dies kann das Gericht anhand der dort vorliegenden Prüfprotokolle sicher feststellen. Versendet also bspw. das Sekretariat anstelle des Rechtsanwalts, muss auch bei Nutzung des beA (genau wie bei EGVP) qualifiziert elektronisch signiert werden.

Siehe im Übrigen zu den Formvoraussetzungen hier.

  • Jedenfalls in Hessen werden – ebenfalls initiativ – sämtliche GKG-Vorschussrechnungen ausschließlich elektronisch versandt.

 

Aufgrund der besonderen Konstruktion des beA müssen die Gerichte den Verfahren sog. Ansprechpartner zuweisen (letztlich den Rechtsanwalt, der das Verfahren bearbeitet und in dessen beA Zustellungen erfolgen sollen). Achten Sie daher in Zukunft darauf, den Ansprechpartner in ihren Schriftsätzen deutlich zu machen und Kanzleiwechsel desselben mitzuteilen.

 

4. Fazit

Es ist nun wichtig, schnell die Technik kennenzulernen und davon ausgehend die eigene Kanzleiausstattung zu optimieren und fit für den elektronischen Rechtsverkehr zu machen. Derzeit kann noch bei verhältnismäßig wenig elektronischer Kommunikation weitgehend frei von Druck die eigene Organisation perfektioniert werden – langfristig ist der Einstieg in die elektronische Kommunikation nicht zu verhindern. Dies beinhaltet auch, den Kanzleiworkflow zu hinterfragen, möglicherweise „alte Zöpfe“ zu kappen. Einige Vorgänge müssen neu durchdacht werden; bspw. notwendige Maßnahmen beim Wechsel der Kanzlei.

Wesentlich ist es auch, in der IT ein Rückgrat nicht nur der Texterstellung und evtl. der Datenhaltung zu erblicken, sondern auch der gesamten Kommunikation. Entsprechend leistungsfähig und ausfallsicher hat ihre Anbindung zu sein.

Erste Zustellungen werden nicht lange auf sich warten lassen (moderne Justizfachverfahren, wie das EUREKA-Fach der Fachgerichte, ermöglichen das schnelle Einpflegen der beA-IDs) – und dann ist die eigentlich nur „passive“ Nutzungspflicht schnell auch eine „aktive“, denn als erste beA-Aktivität nach einer elektronischen Zustellung vom Gericht, wird es dann erforderlich sein, ein elektronisches Empfangsbekenntnis zu erzeugen und zurückzusenden – konventionelle Empfangsbekenntnisse gibt es im beA nicht mehr.

 


[1] Ausnahme: Das BVerfG; gem. § 23 BVerfGG gilt dort weiter die Schriftform.

[2] Schafhausen, ASR 2015, 181, 183.

Autor: Prof. Dr. Henning Müller

Direktor des Sozialgerichts