Darlegungslast für Scankonzept liegt bei der Behörde

Führt die Behörde ihre Akten ganz oder teilweise elektronisch, legt sie selbst erstellte oder elektronisch eingesandte Dokumente (rechtssicher) ab. Eingehende Papierdokumente müssen dann eingescannt werden. Im Rahmen rechtlicher Streitigkeiten dienen diese Dokumente dann dem Beweis der tatsächlichen Vorgänge. Hierzu legt die Behörde ihre Behördenakte dem Gericht vor. Der Scanvorgang ist bei (noch) vorherrschender Papierkorrespondenz im Umfeld elektronischer Akten allerdings ein organisatorisches Nadelöhr und hat auch im Hinblick auf den Beweiswert des Scanergebnisses technisch-organisatorisch hohen Anforderungen zu genügen. Hinsichtlich der Akten des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (BAMF) war es am VG Karlsruhe (v. 21.2.2023 – A 19 K 304/23), zu bestimmen, ob das dort eingesetzte Scanverfahren ausreicht, um den Beweiswert des digitalisierten Papieroriginals zu erhalten.

Wesentlicher Sachverhalt

Ausweislich des Bildscans einer „Postzustellungsurkunde“, den das BAMF vorlegte, sollte sich das (Papier-)Originaldokument auf einen „Bescheid vom 17.01.23“ beziehen. Es war dahingehend ausgefüllt, dass das Schriftstück durch Herrn R.K. in seiner Eigenschaft als Postbediensteter, übergeben worden sei und zwar unter der Zustellanschrift, weil er den Adressaten in der Gemeinschaftseinrichtung nicht erreich habe, einem zum Empfang ermächtigten Vertreter, Frau J.K. Dies sei am 17.01.2023 geschehen.

Die Zustellungsurkunde sei vom BAMF selbst – Fachreferat Dublin Verfahren – eingescannt worden; das Original existiere noch und sei dem Gericht am 16.02.2023 vorgelegt worden. Das angegebene Datum des Bescheids entspreche dem der Erstellung.

Wesentliche Entscheidungsgründe

Der vorgelegte Scan der Zustellungsurkunde führe nicht dazu, dass der Beweis des beurkundeten Vorgangs erbracht wäre und damit nicht dazu, dass in einem ersten Schritt die Zustellung am 17.01.2023 bewiesen wäre.

Auf die Bilddatei – den vorgelegten Scan der Zustellungsurkunde – fänden die §§ 415, 418 Abs. 1 ZPO, die über § 98 VwGO im Verwaltungsprozess entsprechend anzuwenden sind, keine unmittelbare, entsprechende Anwendung. Denn für die Beweiskraft gescannter öffentlicher Urkunden – hier der Zustellungsurkunde – finde sich in dem ebenfalls über § 98 VwGO anzuwenden § 371b ZPO eine Sonderregelung. Nach Satz 1 dieser Vorschrift fänden auf das elektronische Dokument die Vorschriften über die Beweiskraft öffentlicher Urkunden – also die §§ 415 ff. ZPO – dann entsprechende Anwendung, wenn eine öffentliche Urkunde nach dem Stand der Technik von einer öffentlichen Behörde oder von einer mit öffentlichem Glauben versehenen Person in ein elektronisches Dokument übertragen werde und die Bestätigung vorliege, dass das elektronische Dokument mit der Urschrift bildlich und inhaltlich übereinstimme.

Der vom BAMF vorgelegten elektronischen Verwaltungsakte, zu der der Scan der Zustellungsurkunde mit Schriftsatz vom 03.02.2023 entsprechend der Erklärung aus dem Schriftsatz vom 07.02.2022 nachgereicht sei, lasse sich die Voraussetzungen des § 371b ZPO – Scan nach dem Stand der Technik sowie die Bestätigung der bildlichen und inhaltlichen Übereinstimmung von elektronischem Dokument und Urschrift – nicht entnehmen.

Entscheide sich eine Verwaltung, ihre Vorgänge elektronisch zu führen, sei dieses oder sind diese zusammengefassten elektronischen Dokumente die nach § 29 VwVfG vorausgesetzte Akte, die nach § 99 VwGO dem Gericht vorzulegen seien – und zwar auch dann, wenn sie unvollständig oder sonst nicht ordnungsgemäß sein sollte. Diese Akten bildeten die nach Maßgabe aus dem Amtsermittlungsgrundsatz folgender Aufklärungsbemühungen auch eine für das Gericht wesentliche Entscheidungsgrundlage, ohne dass der Amtsermittlungsgrundsatz seine Bedeutung verlieren würde. In bestehenbleibenden Zweifelsfällen sei nach Maßgabe der materiellen Darlegungslast zu entscheiden. Eine Verletzung der – nicht zuletzt – aus dem Rechtsstaatsprinzip folgenden Gebote ordnungsgemäßer Aktenführung (insbes. Aktenverständlichkeit, Aktenwahrheit, Aktenvollständigkeit und Aktenbeständigkeit) rechtfertige für sich allein nicht, eine materiell-rechtlich nicht gebotene bzw. gerechtfertigte Entscheidung zu treffen.

Ausgehend von diesen Vorgaben zur Aktenführung und Darlegungslast sei zunächst festzustellen, dass auf den vorgelegten Scan der Zustellungsurkunde als elektronisches Dokument nicht die Vorschriften über die Beweiskraft öffentlicher Urkunden nach § 371b Satz 1 ZPO, § 98 VwGO Anwendung finden. Denn es sei den vorgelegten Akten und nachgereichten Aktenbestandteilen nicht zu entnehmen, dass die Zustellungsurkunde, die eine öffentliche Urkunde nach §§ 371b Satz 1, 415 ZPO sei, nach dem Stand der Technik gescannt worden sei. Mit dem Stand der Technik beziehe sich die Vorschrift in erster Linie auf die Beachtung der Technischen Richtlinie Rechtssicheres Scannens (TR-RESISCAN). Abweichende Scanverfahren könnten ebenfalls dem Stand der Technik entsprechen; doch auch zu einem etwaigen abweichenden Verfahren lasse sich den vorgelegten Akten nichts entnehmen. Ebenso wenig sei den Akten eine Bestätigung zu entnehmen, dass das elektronische Dokument mit der Urschrift bildlich und inhaltlich übereinstimme, wie dies in § 371b ZPO gefordert werde. Dem Einzelrichter seien keine durch das Bundesamt an Gerichte vorgelegten Akten bekannt, aus denen sich in Bezug auf Zustellungsurkunden solche Angaben finden würden. Auch außerhalb der vorgelegten Akten lasse sich diesbezüglich nichts entnehmen.

Mit dem Original der Zustellungsurkunde zum Bescheid vom 17.01.2023 sei nach § 418 Abs. 1 ZPO, § 98 VwGO – in einem ersten Schritt – allerdings grundsätzlich der volle Beweis dafür erbracht, dass dieser Bescheid am 17.01.2023 übergeben worden sei und zwar durch den Postbediensteten R.K. unter der Zustellanschrift, weil er den Adressaten in der Gemeinschaftseinrichtung nicht erreicht habe, einem zum Empfang ermächtigten Vertreter, Frau J.K.

Dieser volle Beweis sei nicht dadurch ausgeschlossen, dass sich in der vom BAMF als vollständigen Akte bezeichneten, vorgelegten elektronischen Akte im pdf-Format kein Hinweis auf bestehende weitere Bestandteile der dann tatsächlich hybrid geführten Akte finde. Denn weder führe eine den rechtsstaatlichen Anforderungen nicht gerecht werdende Aktenführung – der gravierende Mangel liegt hier in der fehlenden Erkennbarkeit von weiter in Papier geführten Aktenbestandteilen im elektronischen Teil der Akte – noch die Nichtbeachtung der aus § 99 Abs. 1 VwGO folgenden Verpflichtung zur Vorlage der vom Gericht angeforderten „vollständigen und nummerierten Originalakten – einschließlich Zustellungsnachweisen“ zu einer fehlenden Beweisrelevanz der Urkunde, wenn sie dann – wie hier – nachträglich vorgelegt werde. Diese fehlende Beeinflussung der materiellen Rechtslage durch die Art der Aktenführung gelte auch dann, wenn aus dem Vortrag der Behörde nicht vollständig eindeutig hervorgeht, ob sie die Urkunde überhaupt als Aktenbestandteil auffasse und sich bewusst sei, dass sie insoweit eine hybride Akte führe, die weder allein in der elektronischen Fassung noch allein in einer Papierfassung vollständig sein könnten.

Damit sei mit der den Vorgaben des § 182 Abs. 2 ZPO entsprechenden Zustellungsurkunde – in einem ersten Schritt – bewiesen, dass der Bescheid vom 17.01.2023 am selben Tag zugestellt worden sei.

Die in § 31 Abs. 1 Satz 3 AsylG vorgeschriebene Zustellung des Bescheids richte sich nach dem Verwaltungszustellungsgesetz des Bundes, § 1 Abs. 1 VwZG. Bei einer Zustellung durch die Post mit Zustellungsurkunde würden für die Ausführung der Zustellung die §§ 177 bis 182 der Zivilprozessordnung entsprechend gelten, § 3 Abs. 2 Satz 1 VwZG. § 178 Abs. 1 Nr. 3 ZPO enthalte eine Regelung über die Ersatzzustellung in Einrichtungen. Werde die Person, der zugestellt werden soll, in einer Gemeinschaftseinrichtung, in der sie wohne, nicht angetroffen, könne das Schriftstück dem Leiter der Einrichtung oder einem dazu ermächtigten Vertreter zugestellt werden. Dass letzteres hier erfolgt sei, werde mit der Zustellungsurkunde in einem ersten Schritt bewiesen.

Allerdings sei im Sinne des § 418 Abs. 2 ZPO, § 98 VwGO bewiesen, dass die in der Zustellungsurkunde bezeugte Tatsache – Übergabe des Bescheids am 17.01.2023 an eine Vertreterin des Leiters der Gemeinschaftsunterkunft – unrichtig sei. Tag der Zustellung sei tatsächlich der 19.01.2023.

Nach § 418 Abs. 2 ZPO sei der Beweis der Unrichtigkeit der in einer öffentlichen Urkunde im Sinne des § 418 Abs. 1 ZPO bezeugten Tatsachen zulässig, soweit nicht die Landesgesetze diesen Beweis ausschlössen oder beschränkten. Der hier mögliche – aber auch erforderliche – volle Beweis der Unrichtigkeit könne im Freibeweisverfahren, also ohne Bindung an die Vorgaben aus § 98 VwGO, §§ 355 ff. ZPO, erbracht werden (BVerwG, Beschluss vom 14.02.2001 – 6 BN 1.01).

Mit der Vorlage eines Scans des Umschlags, der das zuzustellende Schriftstück enthalten habe (vgl. § 182 Abs. 2 Nr. 6 ZPO) auf dem der Tag der Zustellung mit dem 19.01.2023 vermerkt sei und dem Vortrag des BAMF in der Hauptsache, wonach der Bescheid tatsächlich am 17.01.2023 erstellt und versendet worden sei, sei der volle Beweis der Unrichtigkeit der in der Zustellungsurkunde bezeugten Tatsache der Übergabe des Bescheids (ebenfalls) am 17.01.2023 erbracht. Denn das Zusammenfallen des Versendens des Bescheids und der Zustellung durch einen Postdienstleister an einem anderen Ort am selben Tag sei regelmäßig unmöglich; das vermerkte Zustellungsdatum auf dem Umschlag sei selbst bereits ein starkes Indiz dafür, dass die Zustellung tatsächlich am 19.01.2023 erfolgt sei. In Kombination dieser beiden Tatsachen sei der Beweis der Unrichtigkeit der in der Zustellungsurkunde bezeugten Tatsache jedenfalls erbracht.

Die Klagefrist sei hier deshalb insgesamt eingehalten.

Anmerkung

Auf die Ordnungsmäßigkeit des Scanprozesses kam es eigentlich für die Entscheidung des VG Karlsruhe gar nicht an. Die Unrichtigkeit der im Papieroriginal vorgelegten Zustellungsurkunde ergab sich auch so aus den Geschehensabläufen. Trotzdem holt sich das BAMF beim VG Karlsruhe einen ordentlichen Rüffel für seine Aktenführung ab.

Aktenvollständigkeit bei unzureichender Dokumentation der eAkte

Das BAMF muss sich – so das VG Karlsruhe zu Recht – entscheiden, ob es elektronische, hybride oder Papierakten führt. Diese Organisationsentscheidung hält einerseits die Behörde in den eigenen Händen, aus dieser Selbstbestimmung folgt aber auch die Verantwortung, die Entscheidung und Aktenführung ordnungsgemäß zu dokumentieren (Aktenordnung, Aktenführungserlass bzw. Dokumentation der Aktenführung). Dass hier neben der elektronischen Akte noch Papierdokument existieren ist dadurch nicht ausgeschlossen; dies kann bspw. mit Vernichtungsfristen nach dem ersetzenden Scannen erklärt werden. Eine entsprechende Darlegung liegt aber an der Behörde. Sie muss erläutern, wie sie ihre vorgelegte Akte führt, um die Vollständigkeit der Akte nachzuweisen. Tut sie dies nicht, wird man – sofern es im Prozess darauf ankommt – nicht glauben können, dass die Akte vollständig nicht. Dies kann außerhalb der gesetzlichen Beweisregeln der §§ 371a, 371b ZPO dazu führen, dass die Behördenakte ihren Beweiswert teilweise oder sogar ganz einbüßt oder, dass sich die Beweislast dreht, wenn der Verfahrensgegner schlicht behauptet, ein bestimmtes Schriftstück zur Akte gereicht zu haben, das sich dort dann nicht mehr findet (bspw. in Aufhebungs- und Erstattungsstreitigkeiten).

Scankonzept der Behörde

Dass das vom BAMF eingesetzte Scanverfahren in der jeweiligen Fachabteilung sehr offensichtlich nicht der TR RESISCAN entspricht, weil Asylsachen mit Blick auf die wirtschaftliche oder gar physische Existenz des Geflüchteten regelmäßig jedenfalls hinsichtlich der Grundwerte „Integrität“ und „Verfügbarkeit“ der Schutzbedarfskategorie „sehr hoch“ unterfallen dürften und deshalb ein Vier-Augen-Prinzip erfordern würden, ist ein weiteres Problem, dem sich die Akten des BAMF stellen müssen.

Hintergrund: TR RESISCAN

Die TR RESISCAN hat keinen Rechtsnormcharakter, sondern dient nur der Ausfüllung des unbestimmten Rechtsbegriffs des Stands der Technik in § 371b ZPO. Unmittelbar anwendbar ist die TR RESISCAN nur für das ersetzende Scannen, also die Digitalisierung mit dem Ziel, dass das Scangut vernichtet oder jedenfalls nach der Digitalisierung wieder aus der Hand gegeben wird. Inhaltlich gilt, dass weder die technische Perfektion der Digitalisierung entscheidend ist , noch das Vorliegen einer (externen) Zertifizierung nach einer bestimmten Richtlinie oder einem bestimmten Verfahren andererseits. Maßgeblich ist mithin, dass durch das Einscannen keine Informationen verloren gehen oder verändert werden, die einen inhaltlichen Informationsgehalt haben. Der Stand der Technik muss sich dementsprechend neben der Nutzung hinreichend Hard- und Software insbesondere in der Formulierung der Arbeitsanweisungen für Scanstellen oder bei der Wahl von Voreinstellungen des Scanners niederschlagen.
Dies ist freilich nur für das ersetzende Scannen erforderlich, d.h., wenn das Papieroriginal nach dem Scanvorgang vernichtet oder jedenfalls aus der Hand gegeben wird. Wird das Papieroriginal nach dem Scanvorgang beweissicher aufbewahrt und steht weiterhin bei Bedarf zur Verfügung, handelt es sich lediglich um kopierendes Scannen. Hierfür sind die hohen Anforderungen der TR RESISCAN nicht einzuhalten.

Die TR RESISCAN orientiert sich bezüglich der zu beachtenden Maßnahmen im Rahmen des Scannings an den Schutzbedarfsanforderungen ansprechend der Kategorien des BSI IT-Grundschutzes – Verfügbarkeit, Integrität und Vertraulichkeit, die jeweils den Stufen „normal“ (Schadensauswirkung sind begrenzt und überschaubar), „hoch“ (Schadensauswirkungen können beträchtlich sein) oder „sehr hoch“ (Schadensauswirkungen können ein existenziell bedrohliches, katastrophales Ausmaß erreichen) zugeordnet werden können. Ziel einer Schutzbedarfsfeststellung ist es, den Schutzbedarf zu klären und damit die Festlegung der Sicherheitsanforderungen und die Auswahl angemessener Sicherheitsmaßnahmen für die einzelnen Zielobjekte des betrachteten Informationsverbundes zu steuern. Die Definitionen lassen keine allgemeingültigen Zuordnungen zu den einzelnen Schutzbedarfen zu; letztlich handelt es sich um einen risikobasierten Ansatz, der eine Kosten-Nutzen-Abwägung erforderlich macht.

Der Schutzbedarf wird für die Kategorien betroffener Dokumente einzeln bestimmt. Für alle Dokumente, die dem gleichen Scanverfahren zugeordnet werden, gilt das sog. Maximalprinzip. D.h. der Schutzbedarf des schutzwürdigsten Dokuments, das einem bestimmten Scanverfahren zugeführt wird, bestimmt, nach dem welchem Schutzbedarf dieses konkrete Scanverfahren betrachtet werden muss („Vererbung“, „Infizierung“).

Entsprechend ist es möglich, Dokumente mit einem bestimmten (bspw. besonders hohen) Schutzbedarf nicht einem Scanverfahren zuzuordnen, sondern sie entweder gar nicht, nicht ersetzend oder nach einem anderen Verfahren zu scannen (Verteileffekt). So lässt sich der Schutzbedarf für ein zentrales Scanverfahren niedrig halten, obwohl in Einzelfällen auch Dokumente mit einem besonders hohen Schutzbedarf eingehen können.

Zentrale Bedeutung der Scanverfahrensdokumentation im Prozess

Die aus der Schutzbedarfsanalyse abgeleiteten Maßnahmen für den Scanvorgang und der Scanprozess im Übrigen sind in einer Verfahrensdokumentation – letztlich einer behördeninternen Verfahrensanweisung – festzuhalten. Diese hat in einem Prozess, bei dem es auf den Beweiswert des erstellten elektronischen Dokuments ankommt, eine erhebliche Bedeutung. Durch Vorlage dieser Verfahrensanweisung kommt die Behörde ihrer Darlegungslast hinsichtlich der Güte des Scanverfahrens nach. Im Rahmen eines „prozessualen Ping-Pong-Spiels“ liegt es nach der Vorlage der Verfahrensanweisung am Verfahrensgegner vorzutragen, wo er meint, Fehler oder Lücken im Scanprozess der Behörde zu erkennen. Gelingt dies, wird dadurch der Beweiswert des elektronischen Dokuments geschwächt, mit der Folge, dass ggf. ein Beweis nicht mehr mittels der Behördenakte erbringbar ist.

Dreh- und Angelpunkt einer diesbezüglichen Auseinandersetzung ist die auf den eigentlichen Scan folgende sog. „Integritätsprüfung“ und die hierdurch sichergestellte Ausfüllung des (unbestimmte Rechts-) Begriffs der „bildlichen und inhaltlichen Übereinstimmung“.

Im Detail liegt hier bereits eine erhebliche Herausforderung bei der Formulierung von Arbeitsanweisungen für Scanstellen oder bei der Wahl von Voreinstellungen beim Scanner. Als Beispiel sei genannt, dass die Erkennung – und automatische Aussortierung – von Leerseiten durch Definition eines Schwellwertes in Kilobyte kaum möglich ist, wenn Scangut gemischt aus reinweißem Papier und „Umweltpapier“ besteht und wenn Papier teilweise gelocht und teilweise ungelocht ist.

Aus praktischen Erfordernissen heraus muss klar sein, dass kein Farbscan erforderlich ist, nur weil das Behördenlogo einen Farbanteil hat. Unnötige Farbscans sind unbedingt zu vermeiden; Farbscans haben nämlich eine erheblich größere Dateigröße und kosten daher Rechenleistung und damit Ergonomie beim Aktenhandling. Ebenso klar muss aber sein, dass ein Farbscan erforderlich ist, um rechtserhebliche Farbinformationen zu erhalten oder solche, die einen tatsächlichen Beweiswert haben könnten (bspw. die unterschiedlichen Farben eines Kugelschreibers auf einem handschriftlich ausgefüllten Formular, weil diese ein Indiz dafür sein könnten, dass verschiedene Personen die Eintragungen vorgenommen haben). Trivial ist die Erstellung einer Organisationsanweisung daher nicht.

Der Transfervermerk im Scanverfahren

Die Bestätigung der bildlichen und inhaltlichen Übereinstimmung erfolgt in einem sog. Transfervermerk.

Im Falle eines Rechtsstreits soll der Transfervermerk ermöglichen, den Ablauf des Medienbruchs sowie der weiteren Prozessschritte entlang des Scanprozesses bis zur beweiswertsichernden Aufbewahrung nachzuvollziehen, um hieraus eine Schlussfolgerung zum Beweiswert des elektronischen Abbilds eines Papierdokuments zu ziehen.

Der Transfervermerk kann in Form eines (elektronischen) Dokuments dem Scanprodukt hinzugefügt oder beigelegt werden; er muss dann mit diesem untrennbar verbunden werden (bspw. mittels einer elektronischen Signatur). Der Transfervermerk kann aber auch selbst als elektronische Signatur oder maschinenlesbar als XML-Datei ausgestaltet werden.
Beispiel eines Transfervermerks in Form eines Dokuments:
Die inhaltliche und technische Ausgestaltung ist vom Gesetz nicht weiter vorgeschrieben. Ein Anhalt für den Mindestinhalt gibt die TR RESISCAN.

Gem. Ziff. 4.2.7.4 der TR RESISCAN soll der Transfervermerk für jedes Scanprodukt erstellt werden und insbesondere folgende Aspekte dokumentieren:

– Ersteller des Scanproduktes,
– technisches und organisatorisches Umfeld des Erfassungsvorganges,
– etwaige Auffälligkeiten während des Scanprozesses28,
– Zeitpunkt der Erfassung,
– Ergebnis der Qualitätssicherung und
– die Tatsache, dass es sich um ein Scanprodukt handelt, das bildlich und inhaltlich mit dem Papierdokument übereinstimmt.

Der Transfervermerk muss mit dem Scanprodukt logisch verknüpft oder in das Scanprodukt integriert werden. Die Integrität des Transfervermerks muss entsprechend dem Schutzbedarf der verarbeiteten Dokumente geschützt werden.

Information zum elektronischen Rechtsverkehr mit Behörden im Verwaltungsverfahren finden sich -> hier.

Autor: Prof. Dr. Henning Müller

Direktor des Sozialgerichts