Mit Beschluss vom 25. April 2022 – 3 AZB 2/22 hat das BAG gleich mehrere grundsätzliche Formfragen im elektronischen Rechtsverkehr beantwortet und sich im Vergleich zu früheren Entscheidungen überraschende milde positioniert. Insbesondere enthält der Beschluss Hinweise zu den Anforderungen durchsuchbarer und kopierbarer Dokumente, sowie eingebetteten Schriftarten. Ferner äußert sich das BAG zur Wirksamkeit der ERVB und zu den Fristen des § 130a Abs. 6 ZPO.
Kategorie: Rechtsfragen
(Neue) Rechtsfragen im elektronischen Rechtsverkehr
OVG NRW: beBPo nur für eigene Mitarbeitende
Bei Nutzung des besonderen elektronischen Behördenpostfachs (beBPo) kann in der Kommunikation mit der Justiz auf eine qualifizierte elektronische Signatur verzichtet werden. Es genügt dann die einfache Signatur. Anders als beim beA (oder anderen personenbezogenen sicheren Übermittlungswegen) ist es auch nicht erforderlich, dass gerade „die verantwortende Person“, also diejenige, die den Schriftsatz einfach signiert hat, den Versendevorgang vornimmt. Zumindest muss aber die verantwortende Person Mitarbeiter:in der Behörde sein, deren beBPo genutzt wird (OVG NRW v. 27.04.2022 – 19 B 2003/21).
Aktive Nutzungspflicht gilt für alle Rechtsanwälte – auch bei Mehrfachzulassungen
Seit dem 1.1.2022 gilt für Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte die aktive Nutzungspflicht des elektronischen Rechtsverkehrs im Prozessrecht. Dies regelt für den Bereich der Zivilprozessordnung § 130d ZPO. Im Wesentlichen wortgleiche Regelungen enthalten sämtliche Prozessordnungen. Der sachliche Anwendungsbereich ist umfassend (siehe hier). Hinsichtlich des persönlichen Anwendungsbereichs ist derzeit noch umstritten, ob alle Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte kraft ihrer Zulassung zur Rechtsanwaltschaft aktiv nutzungspflichtig sind oder, ob sie sich auch „einen anderen Hut“ aufsetzen können; ein Meinungsstreit besteht bspw. für Syndikusrechtsanwälte. Dazu, ob auch Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte, die auch Wirtschaftsprüfer oder Steuerberater sind, aktiv nutzungspflichtig sind, hat sich nun das FG Berlin-Brandenburg geäußert (Beschluss v. 8.3.2022 – 8 V 8020/22 – kostenpflichtig bei Juris).
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LSG Schleswig-Holstein restriktiv zum ERV im Verwaltungsverfahren
Während der elektronische Rechtsverkehr im gerichtlichen Verfahren nicht nur mittlerweile durchaus etabliert, sondern sogar verpflichtend ist, ist der elektronische Rechtsverkehr im Verwaltungs- und Widerspruchsverfahren daran gebunden, dass der Empfänger (in diesem Fall die Behörde), den elektronischen Rechtsverkehr „eröffnet“ hat, § 3a VwVfG bzw. § 36a SGB I. Das LSG Schleswig-Holstein – v. 29.10.2021 – L 3 AS 108/20(LSG_SH_29102021) meint, dass hieran hohe Anforderungen zu stellen ist. Ob das gerade auch für das Widerspruchsverfahren gilt ist aber mehr als fraglich. Entsprechend wirkt die Entscheidung hinsichtlich ihrer Begründung etwas aus der Zeit gefallen; erfreulich ist aber, dass die Revision zugelassen ist. So kann das BSG demnächst für Klarheit sorgen. Die Revision ist dort unter dem Aktenzeichen B 7 AS 10/22 R anhängig.
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BSG: Einfache Signatur muss identifizierbar sein.
Bei Nutzung eines sicheren Übermittlungswegs kann gem. § 130a Abs. 3 2. Var. ZPO auf eine qualifizierte elektronische Signatur verzichtet werden. Es genügt dann die einfache Signatur unter dem Schriftsatz, wenn die verantwortende Person den Schriftsatz selbst versendet. Die einfache Signatur ist nach allgemeiner Meinung der maschinenschriftliche Name oder die eingescannte Unterschrift. Das BSG (Beschluss vom 16. Februar 2022 – B 5 R 198/21 B – kostenpflichtig über juris) verschärft hier nun die Anforderung: Die eingescannte Unterschrift muss auch entzifferbar sein, um die Verantwortende Person identifizierbar zu machen.
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Basics zum elektronischen Rechtsverkehr – Beitragszusammenfassung
Auf dieser Seite sind die ervjustiz.de – Beiträge zusammengefasst, in denen Basis-Wissen zum elektronischen Rechtsverkehr vermittelt wird.
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ArbG Stuttgart zu schriftlichem Vergleich per beA
Gem. § 278 Abs. 6 ZPO kann ein gerichtlicher Vergleich auch dadurch geschlossen werden, dass die Parteien dem Gericht einen schriftlichen Vergleichsvorschlag unterbreiten oder einen schriftlichen oder zu Protokoll der mündlichen Verhandlung erklärten Vergleichsvorschlag des Gerichts durch Schriftsatz annehmen. Mit Beschluss vom 25. Februar 2022 – 4 Ca 688/22 – hat das ArbG Stuttgart klargestellt, dass § 278 Abs. 6 ZPO kein materielles Schriftformerfordernis im Sinne von §§ 126, 126a BGB enthält – mit der Folge, dass eine qualifizierte elektronische Signatur erforderlich wäre. Vielmehr ist die prozessuale Schriftsatzform ausreichend, also auch die Nutzung des beA als sicherer Übermittlungsweg mit der bloß einfachen Signatur.
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Was tun, wenn es mal mit dem ERV nicht klappt?
Seit dem 1.1.2022 besteht die aktive Nutzungspflicht des elektronischen Rechtsverkehrs. Steht die Rechtspflege also still, wenn der elektronische Rechtsverkehr mal klemmt? Sicher nicht! Aber die rechtlichen Rettungsanker sollten bekannt sein.
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Aktive Nutzungspflicht auch für Syndikusrechtsanwälte
Der Eintritt der aktiven Nutzungspflicht zum 1.1.2022 steht vor der Tür, da wird in der Arbeitsgerichtsbarkeit noch ein Problemfeld aufgerissen. Gilt die aktive Nutzungspflicht auch für Syndikusrechtsanwälte? Gerade in der Arbeitsgerichtsbarkeit hat diese Fragestellung eine erhebliche Sprengkraft, weil die hier prozessvertretenden Verbände häufig Syndikusrechtsanwältinnen und -rechtsanwälte anstelle, gerade auch mit dem Zwecke der Prozessvertretung. Schon kündigen einige Verbände an, sicherheitshalber elektronisch und per Telefax einzureichen. Elektronisch, falls die aktive Nutzungspflicht gilt, und per Telefax, sollten Syndikusrechtsanwälte gar nicht zu beA-Nutzung in der Vertretung des Verbands berechtigt sein. Dabei war doch die gesetzgeberische Intention klar – und damit auch das Ergebnis: Es gilt auch eine aktive Nutzungspflicht für Syndikusrechtsanwälte. In diesem Sinne hat mittlerweile auch das ArbG Stuttgart entschieden (Beschluss vom 15.12.2021 – 4 BV 139/21).
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Formvorschriften im elektronischen Rechtsverkehr ab dem 1.1.2022
Mit dem Eintritt der aktiven Nutzungspflicht zum 1.1.2022 hat der Gesetzgeber die Formvorschriften im elektronischen Rechtsverkehr durch das ERV-AusbauG entschärft. In diesem Beitrag werden die wesentlichen Voraussetzungen zur Wahrung der prozessualen Form zusammengefasst (Eine Zusammenfassung, wie vorzugehen ist, wenn eine elektronische Übersendung fehlschlägt findet sich: hier).
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