Die Rechtsmittelbelehrungen in Urteilen und Widerspruchsbescheiden waren schon Gegenstand zahlreicher Entscheidungen. Gerade im Zuge der COVID-19 – Pandemie geraten immer häufiger auch die Rechtsbehelfs- und Rechtsmittelbelehrungen der Verwaltung in den Focus. Behörden haben viel öfter und auf viel mehr Übermittlungswegen den elektronischen Rechtsverkehr eröffnet, als ihnen bewusst und auch lieb ist. Die Rechtsauffassung der Sozial- und der Verwaltungsgerichtbarkeit klafft insoweit traditionell auseinander. Zu einem klaren Ergebnis zugunsten des Widerspruchsführers kommt in einer aktuellen Entscheidung des LSG Schleswig (v. 6.5.2021 – L 6 AS 64/21 B ER). Dieser Entscheidung ist zuzustimmen.
LSG NRW: E-Mail-to-Fax reicht nicht
Vor allem bei sog. Naturparteien ist nicht selten immer noch das Telefax Mittel der Wahl, um Gerichte auch ohne Briefpost zu erreichen. Auch wenn es Zeit wird, dass die letzten Faxgerät ihren Platz im Museum finden; noch muss sich die Rechtsprechung immer wieder mit dessen Formanforderungen beschäftigen, denn gem. § 130 Nr. 6 ZPO ist auch das Telefax ein zugelassener Übermittlungsweg. Aktuelle Rechtsprechung hierzu gibt es bereits vom VG Dresden und dem Hessischen Landessozialgericht. Dem Hessischen Landessozialgericht hat sich nun auch das Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen angeschlossen (Beschluss v. 8.4.2021 – L 12 AS 311/21 B ER).
ArbG Kiel: ERVV und ERVB sind Zulässigkeitsvoraussetzung
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beA: Neue Konventionen für Dateinamen
Mit der beA-Version 3.4 ab dem 22. April 2021 werden für elektronische Übersendungen aus dem beA neue Konventionen für die Dateinamen eingeführt. Die BRAK beschreibt die Neuerungen im beA-Sondernewsletter vom 20. April 2021 (https://www.brak.de/zur-rechtspolitik/newsletter/bea-newsletter/2021/sondernewsletter-1-2021-v-20042021/).
OLG Nürnberg zur Kostenprivilegierung bei Abschriften im ERV
Gem. § 133 Abs. 1 Satz 2 ZPO (= § 55a Abs. 5 Satz 3 VwGO, § 65a Abs. 5 Satz 3 SGG usw.) müssen bei Nutzung des Elektronischen Rechtsverkehrs entgegen der allgemeinen Regelung keine Abschriften für die Beteiligten beigefügt werden. Nach der eindeutigen Anordnung des Gesetzes kann das Gericht dem Einreicher deshalb auch keine Kosten für die Erstellung papierner Zustellungsexemplare nach KV Nr. 9000 Nr. 1 und 2 in Rechnung stellen. Doch was passiert, wenn der Einreicher das selben Dokument im Nachgang nochmals konventionell einreicht? Mit dieser Frage hatte sich das OLG Nürnberg (v. 25.3.2021 – 2 U 3607/20 – (juris) kostenpflichtig) zu beschäftigen.
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Keine Gerichtskosten für beA-Versandfehler
Schon mehrfach wurde in diesem Blog darüber berichtet, dass die Rechtsprechung es als Teil der anwaltlichen Sorgfaltspflichten ansieht, dass dieser die Eingangsbestätigung gem. § 130a Abs. 5 Satz 2 ZPO prüft und hierdurch feststellt, dass das per beA versandte Dokument auch den Empfänger erreicht hat. Zeigt sich hierin ein Fehler, kann sich andererseits der Absender auch auf diese Fehlermeldung verlassen. Dies stellte das LG Düsseldorf in einem Beschluss zur Nichterhebung von Gerichtskosten gem. § 21 GKG im Rahmen einer Erinnerung fest (LG Düsseldorf v. 18.3.2021 – 12 O 297/20).
Gesetzentwurf zu einem Gesetz zum Ausbau des ERV
Als Gesetzentwurf der Bundesregierung liegt der Entwurf eines Gesetzes zum Ausbau des elektronischen Rechtsverkehrs mit den Gerichten und zur Änderung weiterer prozessrechtlicher Vorschriften nunmehr dem Bundesrat vor (BR-Drs 145/21). Die Bundesregierung hat in ihrem Gesetzentwurf auf die wesentliche Kritik am vorherigen Referentenentwurf reagiert:
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BGH: Wer beA nutzt, der muss es auch benutzen
Die aktive Nutzungspflicht bildet den letzten Meilenstein des eJustice-Gesetzes. Aufgrund der Übergangsvorschrift des Art. 26 Abs. 7 ERVGerFöG tritt die aktive Nutzungspflicht bundesweit erst am 1.1.2022 in Kraft. Nur zwei Bundesländer haben vom sog. Opt-In Gebrauch gemacht und die aktive Nutzungspflicht vorgezogen: Seit 1.1.2020 Schleswig-Holstein und seit 1.1.2021 Bremen (dort in der Arbeitsgerichtsbarkeit, sowie mit dem Finanzgericht und dem Sozialgericht). Schlägt nun aber ein konventioneller Kommunikationsweg (bspw. das Telefax) fehl, kann man fragen, ob es nicht zu einem sorgfältigen Verhalten gehört, auch ohne Nutzungspflicht auf das beA zurückzugreifen. Die Literatur (vgl. etwa Windau, NZFam 2020, 71 bzw. @zpoblog) fragt, ob dies nicht eine „aktive Nutzungspflicht durch die Hintertür“ wäre. Der BGH hatte hierauf nun eine Antwort zu geben: BGH, Beschluss vom 17. Dezember 2020 – III ZB 31/20.
Update am 15.11.2021: BGH v. 29.9.2021 – VII ZB 12/21
OLG Braunschweig: Wiedereinsetzung nur mit vollständiger Postausgangskontrolle
Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gem. § 233 ZPO ist bei Fehlern der Übermittlung elektronischer Dokumente der einzige Rettungsanker. § 130a Abs. 6 ZPO gilt nach allgemeiner Meinung nur für Fehler der Bearbeitbarkeit. Wichtig ist also, dass fehlendes Verschulden des Einreichers glaubhaft gemacht werden kann. Einem Rechtsanwalt in einem Verfahren des OLG Braunschweig (Beschluss vom 18.11.2020 – 11 U 315/20) gelang dies nicht. Nicht nur seine qualifizierte elektronische Signatur war ungültig, das Gericht fand auch seine Anweisungen an das Büropersonal lückenhaft.
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LSG Berlin-Brandenburg: Beweislastumkehr im Scanprozess
Behörden sehen sich auch nach Einführung elektronischer Behördenakten weiter einer großen Zahl von Papierpost gegenüber, weil der Bürger noch sehr unvollständig Zugang zum elektronischen Rechtsverkehr hat. Diese Post muss digitalisiert werden, um Eingang in die elektronische Akte zu finden. Für Vorgänge in der – aus Sicht des Bürgers – „Blackbox“ zwischen Briefkasten und Veraktung des Dokuments trägt die Behörde die Darlegungs- und letztlich auch die Beweislast. Das Bedeutung vor allem für die Fristwahrung eines Posteingangs in der Regel eine Umkehr der Darlegungs- und Beweislast. So auch im Fall des LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 5.11.2020 – L 9 KR 204/19.
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